Lebendige Flüsse und Bäche
Naturnahe Fliessgewässer sind nicht nur prägend für die schönsten Landschaften der Schweiz, sie tragen auch wesentlich zur Biodiversität und unser aller Sicherheit vor Hochwasser bei. Der Schutz und die Revitalisierung unserer Flüsse und Bäche ist somit ein Gewinn für Menschen und Natur.
Schutz vor Hochwasser
Unsere Dörfer und Städte befinden sich häufig entlang von Flüssen, wo die Menschen von der Wasserversorgung und fruchtbaren Böden profitieren. Doch die Begradigung und Befestigung der Fliessgewässer hat dazu geführt, dass grosse Wassermengen nicht mehr in natürlichen Auen zurückgehalten werden, das Wasser bei Starkregen viel zu schnell abfliesst und somit das Hochwasserrisiko in bewohnten Gebieten zunimmt. Die Hochwassergefahr wird zusätzlich verstärkt, wenn Überschwemmungsflächen versiegelt sind.
Werden Flüsse revitalisiert, kann der Wasserabfluss verlangsamt und zurückgehalten werden. Dies ist im Hinblick auf die zunehmenden Hitzeereignisse aufgrund des Klimawandels für viele kältebedürftige und stark gefährdete Fischarten wie die Forelle besonders wichtig, aber genauso für die Landwirtschaft. Zudem leisten natürliche und revitalisierte Fliessgewässer einen wichtigen Beitrag zur Speicherung des Grundwassers, zum Schutz vor Erosion und zur Reinigung des Wassers. Sie bieten diese Dienste auf natürliche Weise und sind ein wichtiger Bestandteil der Ökologischen Infrastruktur. Revitalisierungen von Gewässern sind somit eine sinnvolle und äusserst wirkungsvolle Alternative zur bedeutend teureren grauen Infrastruktur, bestehend aus massiven und immer höheren Beton-Dämmen, längeren Kanälen und teuren Wasseraufbereitungsanlagen.
Artenreichste Lebensräume der Schweiz
Obwohl naturnahe Flusslandschaften mit ihren Auen nur gerade 0.3 Prozent der Fläche der Schweiz ausmachen, kommen dort rund 40 Prozent aller bekannten Pflanzenarten vor. Ganze 84 Prozent der Schweizer Tierarten können in Auen vorkommen (Rust-Dubié et al. 2006). Das liegt insbesondere an der Vielfalt dieser Lebensräume – sie sind sozusagen unsere Korallenriffe und Regenwälder der Schweiz. Im Wasser wechseln sich Stromschnellen mit ruhigen Wasserstellen ab und in den Auenlandschaften entlang der Ufer sorgt der ständige Wechsel zwischen niedrigem und hohem Wasserstand für eine Dynamik, auf welche viele seltene Tierarten zwingend angewiesen sind.
Besonders wichtig sind die Auen auch als Kinderstube. Fische legen ihre Eier in den Flusskies und ihre Jungen finden geeignete Versteckmöglichkeiten in ausgeprägten Flachwasserzonen. Laubfrösche legen nach Überflutungen ihre Eier in wassergefüllte Tümpel. Flussregenpfeifer nutzen die Kiesbänke für ihre Bodennester, während Eisvögel ihre Bruthöhlen in sandige, steil abfallende Böschungen graben. Zudem entwickeln sich die Larven ganzer Insektengruppen wie Libellen, Eintags-, Stein- und Köcherfliegen im Wasser. Sie sind wiederum die Nahrungsgrundlage der meisten Fisch- und Amphibienarten sowie zahlreicher Singvogelarten.
Den Fliessgewässern geht es schlecht
Das weit verästelte System der Fliessgewässer in der Schweiz erstreckt sich über rund 65’000 km. Doch besonders im Mittelland und in den Alpentälern sind die Bäche und Flüsse in einem äusserst schlechten Zustand. 15'000 km sind begradigt, in Kanäle gefasst oder gar in den Boden verlegt. Zudem sind sie mit über 100'000 Schwellen und Kraftwerken verbaut, welche für die meisten Lebewesen im Wasser unüberwindbare Hindernisse darstellen.
Zu viele Nährstoffe, Pestizide und Mikroverunreinigungen aus Landwirtschafts- und Siedlungsgebieten, sowie der Klimawandel, erhöhen den Druck auf den aquatischen Lebensraum. Über 75 Prozent der einheimischen Fische sind darum gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Bei den Fischen sind so viele Arten auf der Roten Liste wie bei keiner anderen Artengruppe.
Um die stark beeinträchtigten Fliessgewässer wieder zu beleben, verlangt das Gewässerschutzgesetz, dass rund ein Viertel unserer Gewässer innerhalb dieses Jahrhunderts revitalisiert wird und die massiv negativen Auswirkungen der Wasserkraft bis 2030 ökologisch saniert werden. Ebenfalls werden angemessene Restwassermengen gewährleistet und bis 2018 hätten die Gewässerräume ausgeschieden werden müssen. Doch diese gesetzlich festgelegten Ziele liegen in weiter Ferne. Mit der Biodiversitätsinitiative wollen wir das ändern.
Verbindung zwischen Wasser und Land
Aus der Vogelperspektive betrachtet gleichen naturnahe Gewässerläufe blau-grünen Bändern durch die Landschaft. Wanderfische wie die Seeforellen oder Nasen brauchen sie, um zu ihren Laichgewässern zu gelangen und auch zu Land nutzen viele Tierarten den Schutz der Ufervegetation, um von einem Gebiet in ein anderes zu kommen. So sind die Flusslandschaften nicht nur wichtige Lebensräume, sondern sie dienen auch als wichtige Vernetzungskorridore.
Links zu weiterführender Literatur und zu anderen Websites
Biodiversität in der Schweiz – Zustand und Entwicklung 2023
Aquaviva – Wiederbelebt
Detailierte Informationen zu Renaturierung und Revitalisierung
https://www.biodivers.ch/de/index.php/Renaturierung_und_Revitalisierung
Plattform Renaturierung
https://plattform-renaturierung.ch/renaturierung/renaturierung-der-gewaesser/um-was-geht-es/
Rote Liste der gefährdeten Arten der Schweiz: Fische und Rundmäuler (BAFU, 2022)
Gewässer und Auen - Nutzen für die Gesellschaft
PDF magazin «Mensch und Gewässer»
https://www.bfn.de/publikationen/broschuere/gewaesser-und-auen-nutzen-fuer-die-gesellschaft