Starkes Bekenntnis, aber noch wenig Taten
Ein Schritt, aber erst ein sehr kleiner: So beurteilt die Trägerschaft der Biodiversitätsinitiative den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates in ihrer Vernehmlassungsantwort. Sie fordert umfassendere, wirksamere und rasch umsetzbare Massnahmen zugunsten von Biodiversität, Landschaft und baukulturellem Erbe. Es genügt nicht, wenn der Bundesrat seine bisherige Politik bestätigt. Entscheidend ist, die noch wertvollen Flächen wirksam zu sichern und eine funktionale Ökologische Infrastruktur aufzubauen.
Biodiversitätsinitiative an: Sie will die rechtlichen Grundlagen gezielt ergänzen und deren Umsetzung entscheidend voranbringen.
Dass der Bundesrat die Forderungen der Biodiversitätsinitiative mit der Revision des Natur- und Heimatschutzgesetzes (NHG) aufnehmen will, begrüsst der Trägerverein. «Die vorgeschlagene Revision des NHG ist eine einmalige Chance, die Ökologische Infrastruktur im Gesetz zu verankern und so ihre lange verzögerte Umsetzung endlich voranzubringen», so Urs Leugger-Eggimann, Zentralsekretär von Pro Natura, eine der Trägerorganisationen der Biodiversitätsinitiative. Doch wird der indirekte Gegenvorschlag die Biodiversitätskrise nicht lösen.
Zu wenig Fläche
BirdLife Schweiz, Pro Natura, Schweizer Heimatschutz und Stiftung Landschaftsschutz begrüssen, dass der Bundesrat einen Schwerpunkt auf die Flächensicherung und damit auf die Ökologische Infrastruktur für die Biodiversität legt. «Die Ökologische Infrastruktur ist im Hinblick auf die Doppelkrise Biodiversität und Klima unabdingbar, um Lebensraum für die Biodiversität bereitzustellen», betont Raffael Ayé von BirdLife Schweiz.
Hierzu ist wichtig, die noch vorhandenen Gebiete mit hoher Biodiversität, Flächen mit hohem Potenzial an Biodiversität sowie ihre Vernetzung unverzüglich zu sichern. Die verbleibenden zusammenhängenden Naturräume und unverbauten Landschaften müssen besser geschützt werden. Wir verlieren jeden Tag an Biodiversität, mehr als die Hälfte der Lebensräume und fast 40 Prozent der Arten sind in der Schweiz bedroht. Das Flächenziel des Bundesrats bleibt quantitativ und qualitativ hinter den tatsächlichen Erfordernissen zurück. Der vorgeschlagene ökologische Ausgleich im Siedlungsraum ist für die Sensibilisierung der Bevölkerung wichtig, vermag jedoch die Biodiversitätskrise nicht zu lösen.
Stärkung der Bundesinventare
Als erfreulich bezeichnet die Trägerschaft, dass die Stärkung der Bundesinventare als Pflicht der Kantone und Gemeinden im NHG verankert werden soll. Damit werden Legalitätsprinzip und Rechtssicherheit gestärkt, was einem wichtigen Anliegen der Kantone und der Bauwirtschaft entspricht. Die Analyse zeigt jedoch, dass der neue Artikel in letzter Konsequenz hinter die heute geltende Praxis und Rechtsprechung zurückfällt», sagt Franziska Grossenbacher von der Stiftung Landschaftsschutz.
Mehr Baukultur
Erfreut nimmt der Trägerverein zur Kenntnis, dass dem Bundesrat eine umfassende Baukultur wichtig ist. «Der Vorschlag des Bundesrates verankert die bereits etablierte Praxis bei der Berücksichtigung der Bundesinventare im Gesetz und stärkt damit die Rechtssicherheit», sagt Stefan Kunz, Geschäftsführer Schweizer Heimatschutz.
Medienmitteilung des Bundesrats
Die Biodiversitätsinitiative
Die am 8. September 2020 vom Trägerverein «Ja zu mehr Natur, Landschaft und Baukultur» eingereichte Biodiversitätsinitiative verlangt einen stärkeren Schutz von Biodiversität, Landschaft und baukulturellem Erbe. Mit einer Anpassung der Bundesverfassung will die Initiative den Bund und neu auch die Kantone zum Schutz und zur Schonung von Biodiversität, Landschaft und Baukultur verpflichten. Sie fordert unter anderem mehr Fläche und finanzielle Mittel für die Biodiversität.
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 31. März 2021 die Vernehmlassung zum indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)» eröffnet. Die Vernehmlassung läuft bis 9. Juli 2021. Bis im Frühling 2022 hat der Bundesrat Zeit, die Stellungnahmen zu sichten und zu analysieren. Im Frühling 2022 muss der Bundesrat den überarbeiteten indirekten Gegenvorschlag inklusive Botschaft dem Parlament überweisen. Die darauffolgenden parlamentarischen Debatten werden zeigen, in welche Richtung sich der Gegenvorschlag entwickelt.
Die Ökologische Infrastruktur – das dringend nötige Lebensnetz der Schweiz
Genauso wie es im Verkehr, bei der Bildung oder bei der Energie eine funktionierende Infrastruktur braucht, ist für die Natur eine Infrastruktur an naturnahen, langfristig gesicherten Flächen nötig, die miteinander verbunden sind, damit Tiere und Pflanzen überleben können. Die Ökologische Infrastruktur ist ein zentrales Element des Schutzes der Biodiversität. Der Bundesrat hat deren Umsetzung mit der Strategie Biodiversität Schweiz 2012 beschlossen.
Die Ökologische Infrastruktur ist ein landesweites Netzwerk von Flächen, welche für die Biodiversität wichtig sind. Sie umfasst ökologisch wertvolle Kerngebiete (Schutzgebiete) und Vernetzungsgebiete. Diese müssen von ausreichender Quantität und Qualität sein und so im Raum verteilt liegen, dass sie von den entsprechenden Arten genutzt werden können.