
Internationale Verhandlungen zur Biodiversität
16.03.2022 – News
Der stark lokale Charakter der Artenvielfalt ist eine Chance
Diese Woche finden in Genf Verhandlungen der UNO-Biodiversitätskonferenz statt. Später im Frühling 2022 soll das Nachfolgeabkommen der Aichi-Ziele in China verabschiedet werden. In drei Interviews mit Expert:innen beleuchten das Centre for Development and Environment (CDE) und die Wyss Academy for Nature der Universität Bern die wichtigsten Aspekte der anstehenden Verhandlungen.
«Der stark lokale Charakter der Artenvielfalt ist eine Chance»: Mit verschiedenen Instrumenten versuchen Bund, Kantone und Gemeinden den Artenschwund zu stoppen – bislang ohne namhaften Erfolg. Ist es einfach Politikversagen? CDE-Wissenschaftlerin Astrid Zabel, Wissenschaftlerin am Centre for Development and Environment (CDE) in Bern, über die Gründe, warum sich Biodiversitätsziele oft nicht einstellen – und zur Frage: Welche Instrumente können den Artenschutz fördern?
„30×30“: Wie realistisch ist ein flächenbezogener Ansatz
«Die eigentliche Frage lautet: Wovor müssen wir die Biodiversität schützen?» Die Verhandlungen über einen neuen globalen Rahmen für die biologische Vielfalt werden im März in Genf wieder aufgenommen. Eine Forderung steht dabei sehr weit oben auf der Traktandenliste: Die „30×30“-Initiative. Mit ihr sollen 30 Prozent der Erdoberfläche geschützt werden, um das ungebremste Artensterben zu stoppen. Doch wie realistisch und zielführend ist ein flächenbezogener Ansatz? Julie Zähringer, Professorin für Landnutzungssysteme und Nachhaltigkeits-Transformationen an der Wyss Academy und dem CDE, meint mit Blick auf den globalen Ressourcenverbrauch: «Wäre es nicht wichtiger, an den Ursachen der Bedrohungen für die artenreichen Gebiete anzusetzen, statt bei den Symptomen?»
Welche Rolle sollen die armen Gesellschaften bei der Erreichung der Biodiversitätsziele spielen?
«Beim Artenschutz müssen wir auch dem indigenen Wissen treu bleiben»: «Die reichen Länder müssen sich fragen, was sie zum Verlust der biologischen Vielfalt beigetragen haben. Das muss nicht verhandelt werden, das können sie selbst überprüfen und sagen: Wir stoppen das»: Das ist die Ansicht von Boniface Kiteme, dem Leiter des Ausbildungs- und Forschungszentrums CETRAD in Kenia, das seit über 30 Jahren mit dem CDE und jetzt auch mit der Wyss Academy for Nature zusammenarbeitet. Mit Blick auf die Verhandlungen an der UN-Biodiversitätskonferenz fragt er: «Welche Rolle sollen die armen Gesellschaften bei der Erreichung der Biodiversitätsziele spielen?»
Interview mit Boniface Kiteme, dem Leiter des Ausbildungs- und Forschungszentrums CETRAD in Kenia
Die Biodiversität betrifft unser aller Leben – vielleicht noch mehr als das Klima
Der Zustand von Klima und biologischer Vielfalt hängen eng zusammen. «Und sie sind auch mit zentralen Fragen wie Gerechtigkeit, Werten und dem Wohlergehen aller verbunden», sagt Unai Pascual, Mitglied des Weltbiodiversitätsrates IPBES, Professor am Baskischen Zentrum für Klimawandel sowie assoziierter Wissenschaftler am CDE. Die Menschen hätten sehr unterschiedliche Ansichten zu den Beziehungen zwischen Mensch und Natur. «Die dringend nötigen Veränderungen zum Schutz der Umwelt müssen diese Vielfalt respektieren – jenseits des Machtgefälles zwischen globalem Norden und Süden.»
UNO-Biodiversitätskonferenz
Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt, auch Biodiversitätskonvention, ist das wichtigste internationale Abkommen zum Schutz der Biodiversität. 2010 wurden an der 10. Konferenz der Vertragsstaaten die Aichi-Ziele verabschiedet, die bis 2020 hätten erreicht werden sollen – aber klar verfehlt wurden.
An der 15. Vertragsstaatenkonferenz (COP15) sollte die Nachfolgevereinbarung der Aichi-Ziele verabschiedet werden. Ursprünglich war die COP15 für Oktober 2020 in Kunming, China, geplant. Wegen der Covid-19-Pandemie wurde sie auf Oktober 2021 verschoben. Ein erster Teil der Verhandlungen fand dann als Videokonferenz statt und führte zu einer wenig konkreten Erklärung, bei welcher der Schutz von 30 Prozent der Erdfläche eine zentrale Rolle spielt. I
Im März 2022 werden die Verhandlungen in Genf fortgesetzt werden. Danach soll das Nachfolgeabkommen der Aichi-Ziele im April / Mai 2022 bei einem Präsenztreffen in China verabschiedet werden.
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