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Biodiversitätsrahmenwerk 2020-2030 braucht mehr Gewicht

14.01.2020 – News

Die Biodiversitätskrise ist ebenso bedrohlich wie die Klimakrise – das haben im letzten Jahr verschiedene wissenschaftliche Berichte sehr deutlich gemacht. So legte im Mai 2019 der Bericht des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) dar, dass es schlecht steht mit der Biodiversität: Weltweit sterben immer mehr Tiere und Pflanzen aus. Um dieses weltweite Artensterben endlich zu stoppen oder vorerst zu verlangsamen, muss das neue globale Biodiversitätsrahmenwerk 2020-2030 griffiger sein als das bisherige.

Das letzte Biodiversitätsrahmenwerk 2010-2020 (Aichi-Ziele) hatte leider zu wenig Wirkung: Von 20 Zielen wurde nur ein einziges erreicht. Grund: Die Staaten setzten die eigentlich guten Ziele zu wenig um. Denn bislang hatten sich hauptsächlich die Umweltministerien um die Umsetzung gekümmert – und diesen fehlt oft das nötige Geld und das politische Gewicht. Pro Natura Experten Friedrich Wulf: «Weil die Ursachen des Biodiversitätsverlustes aus allen Ebenen von Politik und Gesellschaft stammen, muss die Umsetzung des neuen globalen Biodiversitätsrahmenwerks nun auch durch alle Sektoren erfolgen.» Deshalb müssen die Biodiversitätsziele ebenso verpflichtet sein für Handel, Wirtschaft und Landwirtschaft.

Auch bei uns besteht Handlungsbedarf: Nicht Elefanten sondern besonders Schmetterlinge, Reptilien, Amphibien und Fische sind vom Aussterben bedroht. Mehr als 3500 Tier- und Pflanzenarten stehen in der Schweiz auf den Roten Listen. Davon sind bereits 233 ausgestorben. Weitere 506 Arten stehen unmittelbar vor dem Aussterben. Somit ist mehr als ein Drittel aller Arten in der Schweiz gefährdet. Ist das globale Biodiversitätsrahmenwerk 2020-2030 griffig, wird die Schweiz entsprechende lokale Massnahmen umsetzen.

Hier eine Einschätzung des ersten Entwurfes durch unsern internationalen Experten Friedrich Wulf:

Positiv:

  • Das neue globale Biodiversitätsrahmenwerk richtet sich nicht nur an die Umweltministerien sondern an die gesamte Regierung: Alle Bereiche und Sektoren wie z.B. Wirtschaft, Handelspolitik, Landwirtschaft usw. müssen ihren Beitrag leisten.
  • Mitwirkung ist wichtig, speziell die Rolle der indigenen Völker wird berücksichtigt.
  • Die Raumplanung soll einen wichtigen Beitrag leisten, damit sich die Flächenziele erfüllen lassen.

Negativ:

  • Der Plan ist ziemlich allgemein, viele Fragen müssen spezifischer behandelt werden
  • Ein Abschnitt fordert, die Nutzung und Ausbeutung der Natur zu erhöhen. Dadurch steigt der Druck auf die Biodiversität. Die Intensität der Landwirtschaft soll erhöht werden (mit der Gefahr, dass mehr Gentechnik und agrotechnische Prozesse zum Einsatz kommen) und es wird zur Nutzung der Wildtiere und -pflanzen aufgerufen.
  • Ein erster Vergleich zeigt: die Ziele sind nicht besser als die aktuellen Aichi-Ziele. Einige Elemente des alten Strategieplanes fehlen sogar im neuen: So müssen die nationalen Biodiversitätsstrategien nicht mehr aktualisiert werden. Zudem sind die Regelungen zu den Schutzgebieten weniger streng.
  • Die Umsetzungsmassnahmen sind immer noch genauso zahnlos wie im bisherigen Dokument. Es enthält keine Vorgaben zu Berichterstattung, Überprüfung oder Rechenschaftspflicht. Es braucht Regelungen, damit die nötigen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft stattfinden.

Fazit: Der erste Entwurf ist ein Anfang. Noch enthält er zu wenig griffige Massnahmen, um die Forderungen der Biodiversitätskonvention zu erfüllen. Zudem hat er einige Elemente, welche der Biodiversität sogar schaden. Es braucht noch viel Arbeit, bis das neue Rahmenwerk 2020-2030 eine wirkliche Trendwende bei der Bekämpfung des Biodiversitätskrise ermöglicht. Dafür müssen die beteiligten Fachleute und Staatsvertreter in den weiteren noch geplanten Vorbereitungstreffen bis zur Verabschiedung im Oktober 2020 sowohl inhaltlich als auch politisch noch viel erarbeiten.

Zwei Volksinitiativen für mehr Natur

In der Schweiz haben vier Umweltorganisationen vorgegriffen und im März 2019 die Biodiversitätsinitiative lanciert. Diese fordert unter anderem, dass Biodiversität in der Verfassung verankert wird. Dadurch wird mehr Geld und mehr Fläche für die Bewahrung und Förderung der Biodiversität eingesetzt. Mit der gleichzeitig lancierten Landschaftsinitiative wird die Raumplanung in die Verantwortung genommen werden. Diese Initiative stoppt endlich den Bauboom ausserhalb der Bauzone.

Begriffe:

UN-Biodiversitätskonvention (CBD): Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD, Biodiversitätskonvention) wurde 1992 in Rio de Janeiro verabschiedet. Bis heute sind 193 Vertragsstaaten der Konvention beigetreten. Die Schweiz hat die Konvention 1994 ratifiziert. Die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich, die biologische Vielfalt in ihren eigenen Ländern zu schützen und geeignete Massnahmen zum Schutz und zur Nutzung der Biodiversität in Entwicklungsländern zu unterstützen. Weitere Infos.

Aichi-Ziele: Das aktuell noch geltende globale Biodiversitätsrahmenwerk 2010-2020, das 2010 im japanischen Aichi verabschiedet wurde. Weitere Infos.

Zeitlicher Ablauf: Der Erstentwurf des Biodiversitätsrahmenwerks 2020-2030 wurde am 13.1.19 präsentiert. Bis Juli 2020 überarbeitet eine internationale Arbeitsgruppe aus Expertinnen und Experten das Abkommen. Die 15. Konferenz der Vertragsstaaten der UN-Biodiversitätskonvention (COP 15) findet im Oktober 2020 in der chinesischen Stadt Kunming statt. An dieser Konfernz werden die strittigen Punkte bereinigt und die Staatsoberhäupter verabschieden das neue Biodiversitätsrahmenwerk für das nächste Jahrzehnt.